Eine der wohl spannendsten und schönsten Traditionen in unserem Kindergarten ist das Aufziehen von Schmetterlingsraupen in den Sommermonaten.
Diesen Brauch hat eine langjährige Kollegin eingeführt, die mit ihrem geschulten Blick jedes Jahr einige Raupennester von Pfauenaugen oder Kleinen Füchsen findet und diese in den Kindergarten mitbringt, um hier die Kinder an diesem Wunder der Verwandlung von der Raupe zum Schmetterling teilhaben zu lassen.
Für die Aufzucht haben wir von Eltern selbstgebaute Raupenkästen in verschiedenen Größen. Diese sind so konstruiert, dass die Kinder gut beobachten können, was im Inneren des Kastens vor sich geht, wie sich die Raupen verhalten und wie sie fressen, wachsen, immer wieder aus ihrer Haut schlüpfen und ihre Gestalt verändern.
Die Kästen werden mindestens einmal täglich gesäubert und die Raupen bekommen frisches Futter, welches für beide Raupenarten aus Brennnesseln besteht. Diese holen wir oft auf den Spaziergängen gemeinsam mit den Kindern und brauchen große Mengen davon, da die kleinen Tierchen außerordentlich gefräßig sind.
Nach ungefähr zwei Wochen verpuppen sich die Raupen und nochmal ein bis zwei Wochen später schlüpfen die Schmetterlinge, die wir dann gemeinsam in die Welt fliegen lassen. Dazu singen wir Schmetterlingslieder, wie „Schmetterling Du kleines Ding, such Dir eine Tänzerin, juheirasa, juheirasa ei wie lustig tanzt man da, lustig, lustig wie der Wind, wie ein Blumenkind“. Manchmal ist es sogar möglich, dass die Kinder einen Schmetterling selbst auf ihre Hand nehmen und fliegen lassen können.
Solche Tage sind immer von einem besonderen Zauber erfüllt und die Kinder erzählen noch lange von diesem Erlebnis.
Da die Anzahl und Artenvielfalt der Insektenwelt, insbesondere der Schmetterlinge immer mehr zurück geht, freuen wir uns um so mehr, dass wir alleine in diesem Jahr mehreren 100 Schmetterlingen das Leben schenken und sie in die Natur entlassen durften.
Der Vorgang der Metamorphose, der hier mit seiner Verwandlung in verschiedene Daseinsformen sichtbar gemacht wird, ist für die Kinder und uns Erwachsene immer wieder von Neuem ein tiefes Erlebnis.
Rudolf Steiner bezeichnet den Schmetterling als „ein von den Göttern selbst eingesetztes Realgleichnis“.
Joyce Heimbold